Mit dem zunehmenden Einsatz von Elektrofahrzeugen gibt es viel Wirbel um ihre Umweltverträglichkeit. Während die Auswirkungen des Betriebs von E-Autos im Vergleich zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren gering sind, zeigt sich bei genauerer Betrachtung aller Produktionsmittel und Bauteile, vor allem jedoch bei der Betrachtung der Batterien, eine andere Seite.
Das war der Titel des Vortrags, den Andreas Genest, Berater bei ifu Hamburg, im Januar 2019 auf dem Batterie Forum Deutschland in Berlin hielt. Die dreitägige Konferenz mit 350 Teilnehmern aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft deckte ein breites Spektrum an Themen rund um Lithium-Ionen-Batterien ab, von der Herstellung und Beschaffung von Rohstoffen über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse bis hin zu ihrem zunehmenden Einsatz in der Logistik und E-Mobilität.
Das Hauptaugenmerk galt der Ökobilanz (auch Lebenszyklusanalyse oder LCA genannt) von Batterien beim Einsatz in der Elektromobilität, einem der am schnellsten wachsenden Sektoren für den Batteriebetrieb. Genest präsentierte verschiedene LCA-Studien von Lithium-Ionen-Batterien und veranschaulichte, warum die Studienergebnisse oft im Widerspruch zueinander stehen.
Der Absatz von Elektroautos wird voraussichtlich drastisch steigen und damit auch die Nachfrage nach Batterien – insbesondere Lithium-Ionen-Batterien. Wie sehr beeinflusst also die Batterieproduktion die gesamte Ökobilanz von Elektrofahrzeugen? Ein allgemein verbreiteter Standpunkt ist, dass E-Autos zwar umweltfreundlicher zu betreiben sind als Autos mit Verbrennungsmotoren, ihre gesamten CO2-Emissionen jedoch einfach von der Nutzungsphase auf die Produktionsphase verlagert werden. Laut LCA-Berater Andreas Genest ist diese Aussage meist wahr – schlägt aber gleichzeitig eine viel komplexere Frage vor.
“Es ist wichtig, genau zu untersuchen, worauf sich eine Ökobilanz konzentriert”, betont Genest. “Bei so vielen verschiedenen Parametern, die es zu untersuchen gilt, kann es zu einer Vielzahl von Ergebnissen kommen.” Bei der Analyse des Lebenszyklus eines Elektroautos sollte man den gesamten Prozess betrachten, von der Produktion des Fahrzeugs, einschließlich aller Vorketten, über die Nutzungsphase bis hin zu den End-of-Life-Prozessen.
Eine häufig gestellte Frage ist, welcher Fahrzeugtyp umweltfreundlicher ist: Elektroautos oder solche mit “traditionellen” Verbrennungsmotoren? Wenn man nur das Treibhauspotenzial (GWP) berücksichtigt – ein aktuelles Thema -, weisen gas- und dieselbetriebene Fahrzeuge die höchsten Treibhausgasemissionen auf, gefolgt von Hybrid-Elektrofahrzeugen (HEV), Plug-in-Hybrid-Elektrofahrzeugen (PHEV) und schließlich reinen batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen (BEV), die in der Regel die niedrigsten GWP aufweisen.
Aber es genügt nicht, nur das GWP der verschiedenen Fahrzeugtypen zu vergleichen. Wie Genest zeigt, berücksichtigt die Konzentration auf das GWP nur die Klimaauswirkungen und ignoriert dabei andere potenzielle Umweltauswirkungen, wodurch der Umfang der Ökobilanz eingeschränkt wird. Bei der Einbeziehung anderer Umweltparameter ergibt sich ein anderes Bild: Während BEVs im Vergleich zum GWP besser abschneiden, schneiden sie in Kategorien wie “ökologische Knappheit” oder “Eutrophierung” aufgrund der Nachfrage nach bestimmten Materialien für die Batterieproduktion schlechter ab.
Ein Blick auf das Gesamtbild zeigt, dass Elektroautos tendenziell umweltfreundlicher sind als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren, aber sicherlich nicht in allen Wirkungskategorien hervorragende Ergebnisse erzielen.
Dies erklärt auch, warum wir eine erstaunlich breite Palette von Ergebnissen aus verschiedenen Ökobilanz-Studien von Lithium-Ionen-Batterien vorfinden: Die Ergebnisse hängen von den Annahmen ab, die jeder Ökobilanz zugrunde liegen, und davon, welche Wirkungskategorien die Analyse betont hat. “Deshalb ist der Vergleich zwischen Ökobilanzen immer noch extrem schwierig – jede Studie hängt von zu vielen Variablen ab”, resümiert Andreas Genest. Die Studien zeigen sogar große Unterschiede bei dem geschätzten Anteil der Batterieproduktion an den gesamten Treibhausgasemissionen von Elektrofahrzeugen, die zwischen 10% und 35% liegen.
Es lohnt sich, einen genaueren Blick darauf zu werfen, was genau die Umweltauswirkungen von Batterien sind. Die mit Abstand kritischsten Phasen im Lebenszyklus einer Batterie sind die Produktion (insbesondere der damit einhergehende Energieverbrauch) und das Recycling, ein zunehmend wichtiges Thema.
Das folgende Sankey-Diagramm veranschaulicht die Material- und Energieströme während des Batterie-Recyclingprozesses und zeigt den Energiebedarf für die verschiedenen Trennschritte sowie die zurückgewonnenen Materialströme. Schon in der ersten Recyclingphase – der Demontage – wird eine hohe Menge an Kupfer, Stahl und Aluminium gewonnen, wodurch fast 50% aller Materialien zurückgeführt warden können. Jeder weitere Schritt bringt zusätzliches Material, erfordert aber auch einen steigenden Energieeinsatz pro Einheit.
Die Frage ist: An welchem Punkt übersteigt der Energieeinsatz die zusätzlichen Gewinne? Bei der Analyse des Recyclingprozesses sollten verschiedene Wirkungskategorien berücksichtigt werden, einschließlich der “vermiedenen Auswirkungen” durch die Verwendung von rückgewonnenem gegenüber Rohmaterial.
Daher ist das Recycling nicht immer die beste Lösung. Irgendwann überschreitet man, je nach Ziel, die Kosten-Nutzen-Schwelle und die Entscheidung ist möglicherweise nicht mehr eindeutig treffbar. Unter dem strikten Gesichtspunkt der Klimaauswirkungen mag weiteres Recycling keinen Sinn machen, aber es kann durchaus sinnvoll sein, wenn man sich auf die Rückgewinnung bestimmter seltener Materialien konzentriert.
Letztendlich ist es schwierig, Ökobilanzen zu verwenden, um allgemeine Schlussfolgerungen zu ziehen: Die zugrunde liegenden Annahmen jeder einzelnen Studie und die Wahl der Wirkungskategorien machen den Unterschied aus. Die Ökobilanzierung bleibt jedoch trotzdessen ein hervorragendes Werkzeug, um einen bestimmten Parametersatz zu betrachten und spezifische Empfehlungen für die günstigsten Optionen unter diesen Parametern zu geben. Nach Ansicht von Andreas Genest sollte man dabei immer das Gesamtbild im Auge behalten.
Nachdem sie mit der Schwierigkeit konfrontiert wurden, die unterschiedlichen Ergebnisse verschiedener Ökobilanzen von Lithium-Ionen-Batterien zu vergleichen, haben sich die Universität Graz und iPoint zusammengeschlossen, um diesen Sachverhalt genauer zu untersuchen und eigene Studien durchzuführen.
Unterdessen beschäftigt sich das Battery Lab (BLB) der TU Braunschweig mit der Erforschung und Produktion neuer Batterietypen. Die BLB soll das erste Testgelände für das Gemeinschaftsprojekt “Live LCA” von ifu Hamburg und iPoint sein, die nächste Generation von Ökobilanzsoftware, die Echtzeit-Datenüberwachung für die Prozessmodellierung und Simulation umfasst. Sie wird von der eigens entwickelten Umberto LCA+ Software-Engine angetrieben. Die “Live LCA” soll es ermöglichen, eine Sachbilanz zu erstellen, die mit Primärdaten aus z.B. der ecoinvent Datenbank verknüpft warden kann, um ein Echtzeit- und responsives Lebenszyklusmodell zu ermöglichen.
Das Projekt soll 2019 umgesetzt werden, gefolgt von zusätzlichen Feldtests mit Partnern der Industrial Interest Group und einer voraussichtlich geplanten Einführung der neuen Live LCA-Software im Jahr 2020. Für alle, die an einer Teilnahme am Projekt interessiert sind, heißt die Industrial Interest Group weiterhin neue Mitglieder willkommen.